2 Monate vor Ostern – Die Auferstehung

Kategorie: 6.Mannschaft  2238 hits

Nach einer katastrophalen Niederlagenserie reisten wir in eine andere Stadt, deren Name mir gerade entfallen ist. Diesmal bereitete ich unseren Wettkampf allerdings sorgfältig vor. Bei einem Telefonat mit dem gegnerischen Mannschaftsführer jammerte ich zum Steinerweichen, bis dieser weichgeklopft mit einer ersatzgeschwächten Mannschaft antrat.
 
Danach überredete ich unser Brett 1, Harald Rost, in unserem neuen Auswärtstrikot anzutreten.

Berg Rost

Zur Überraschung der Steiner war dies nicht schwarz-weiß und hob sich deutlich von deren blau-kariertem Heimtrikot ab.
 
Der dritte Schritt meines Planes bestand darin, in Absprache mit unserem Mannschaftsführer Horst Bertram unseren Edeljoker Reinhard Kauer zu präsentieren, um die wochenlangen Vorbereitungen unserer Gegner an den hinteren Brettern zu torpedieren.
 
Der vierte Planabschnitt war einfach: Topscorer Marty Ehmer, Reinhard, Horst und ich gewinnen, Harald klammert ein Remis an Brett 1 ab und alle anderen spielen fröhlich Schach. Am Anfang lief mein Plan wie geschnitten Brot.


 
Angesichts der DWZ-Differenz meines Gegners (1342 DWZ) beschloss ich, statt meiner gewohnt soliden Eröffnungsführung ein Gambit zu servieren.


Nach den Zügen e4, e5 – d4, exd – Lc4 deckte mein Gegner zu meiner Freude seinen Mehrbauern mit Df6. Das war Weizen auf meinen Mühlen. Die anschießenden Tempoverluste, teils erzwungen, teils als unforced errors, nutzte ich, um eine schöne Angriffsstellung aufzubauen. In der Schlusssequenz zog ich Df3 mit der Mattdrohung auf f7, in der Hoffnung, dass mein Gegner den starken Zug Le8 findet, der seinen Läufer vor dem Abtausch mit meinem Springer rettet und das Matt auf f7 deckt. Fand er auch. Das anschließende Sg6++ war fast so schön wie die Nachricht, die mir die beste Ehefrau von allen, die sich mit einer Horde anderer Männer in Kampfarenen herumtrieb, übersandte: Der Club hatte gegen Aue zu diesem Zeitpunkt mit 4:1 gewonnen. Und wir führten jetzt 1:0. Mein schneller Sieg ließ mir genug Muse, um die anderen 7 Partien permanent im Kopf zu analysieren.
 
Reinhard gewann mit einem schönen taktischen Schlag eine Figur. Das sich daran anschließende Figurensammeln zeigte mir, dass sein Gegner offensichtlich geschockt von der taktischen Finesse, völlig den Faden verloren hatte. Der weitere Verlauf der Partie erinnerte mich stark an Monty Pythons Film „Ritter der Kokosnuss“, in dem ein schwarzer Ritte trotz des sequentiellen Verlustes seiner Extremitäten weiterkämpfte, bis er nur noch auf dem Rumpf stehend den Kampf als unentschieden wertete.
 
Reinhard ließ den verzweifelt kämpfenden Steiner keine Chance und setzte ihn kühl Schachmatt. 2:0
 
Mein Plan gewann an Fahrt. Als ich mir allerdings die anderen 6 Partien ansah, fuhr mein Stimmungsaufzug ins Untergeschoss.
 
Harald konnte von Remis nur noch träumen, Roger stand so la la, Volker war für mich unrettbar, Marty betrachtete liebevoll seinen Läufer auf b2, der zum Großbauern degradiert war, Dietrich kämpfte in einer gedrückten Lage und Horst hatte eine Honigstellung auf dem Brett, ein wenig süß aber sehr klebrig.
 
Weit und breit war kein weiterer breiterer Sieg zu sehen.
 
Da platzte die Bombe. Volker hatte in seinem sizilianischen Labourdonnais wie ein Löwenthal kämpfend das Ruder herumgerissen. (siehe Partie)


 
Nach dem 23. g3 hätte ich für Volker keinen Pfiffer mehr gegeben. Der Bauernverlust auf e4 ist nicht mehr zu verhindern, da Lxe4 nach dem Zwischenschach Db6+ den König auf ein weißes Feld getrieben hätte. Kh1 oder g2 hätte Txd4 zur Folge gehabt und falls Dxe4 folgt c5 mit Damenverlust. Weicht der König dem Schach auf f1 aus, folgt Tf3+ und der Turm darf wegen Tg1++ nicht geschlagen werden.
 
Volkers Gegner spielte aber seltsamerweise passiv. So eine Einladung muss man Volker nicht zweimal überreichen. Mit feinen kombinatorischen Drohungen provozierte er weitere Fehler seines Gegners und beendete mit einigen wuchtigen Schlägen die Partie. 3:0
 
Haralds Niederlage war zwar ein Wermutstropfen in meinem Siegesrausch, mehr Sorge bereiteten mir die restlichen Partien. Horst fand keine Bienen mehr, die ihm die Partie versüßen könnten und gab remis. Ein optisch schönes 3 ½, aber wer sollte den fehlenden Punkt noch machen?
 
Roger hatte die Quali eingestellt, Dietrich wehrte sich tapfer gegen das Pressing seines Gegners, einzig Marty schaffte in einer B-Partie aus einer besch…… Stellung eine bescheidene zu machen. Sein Remis würde uns unser Remis retten.
 
Ein wenig wurde ich vom zwischenzeitlichen Sieg der Ice Tigers gegen Krefeld (4:2 auswärts) getröstet. Ansonsten schwankte ich zwischen einem freudlosen und einem freudigen Remis.
 
Da erreichte mich der zweite Hammer des Abends. Roger hatte, anstatt ergeben die Quali zu spucken, die Brücke hinter sich abgebrochen und zur Liga der Zocker gewechselt. Leise summte er das Lied „ohne Krimi geht der Wini nie ins Bett“, bevor er Kombinationen von einem anderen Stern auspackte. Solch einem überirdischen Kampfgeist ausgesetzt brach sein Gegner zusammen, also 4 ½ : 1 ½. Mein Herz pumpte gnadenlos den Rotwein des vorherigen Abends durch meine Adern, Endorphine überschwemmten mein Gehirn und das Testosteron, na da schweige ich lieber, sonst fragt mein mir angetrautes Weib wieder nur, woher ich plötzlich wieder welches hätte.
 
Dietrichs Niederlage tat nicht mehr so weh. Er war dem Dauerpressing seines Gegners erlegen. So konnte ich in aller Gemütsruhe Marty´s Ende verfolgen. Der hatte es doch tatsächlich geschafft, aus seiner bescheidenen Stellung eine beinharte zu zaubern, die er bravourös beendete. Topscorerqualitäten eben. 5 ½ : 2 ½.

5. Runde am 2.2.18
5 SC Stein 1998 1 DWZ - SW Nürnberg Süd 6 DWZ 2½ - 5½
1 2 Guttenberger, Roland, Dr. 1856 - 1 Rost, Harald 1676 1 - 0
2 4 Meyer, Robert 1646 - 2 Walch, Roger 1671 0 - 1
3 5 Guttenberger, Severin 1607 - 3 Elpelt, Volker 1669 0 - 1
4 6 Guttenberger, Constantin 1633 - 4 Pahlen, Dietrich 1640 1 - 0
5 7 Müller, Bernd 1578 - 5 Ehmer, Marty 1639 0 - 1
6 8 Frenz, Joachim, Dr. 1567 - 7 Bertram, Horst 1614 ½ - ½
7 9 Tauschel, Gustav 1342 - 8 Berg, Winfried 1578 0 - 1
8 14 Schuster, Bernd 1300 - 10 Kauer, Reinhard 1682 0 - 1
Schnitt: 1566 - Schnitt: 1646  

Ich schwebte mit meinem Luftkissenauto (es ist kein Diesel!) nach Hause. Dort öffnete ich zur Feier unseres Sieges einen VigneNuove aus dem Hause Ottella. Ein Wein, der mehr kostet, als er schmeckt. Deshalb legte ich noch eine Schippe drauf und gönnte mir ein Gläschen Glenfiddich Single Malt, 21 Jahre. Meine Frau versicherte mir beim Anstoßen, dass ich 4 Mal wertvoller als der edle Whisky bin. Die Rechnung, dass sie findet, ich sehe wie 84 aus (4 x 21) war nicht schwer. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihren Eindruck:
 
Es ist einfach nicht gesund, sich die Nächte in Katakomben von Stein um die Ohren zu hauen. Zur Strafe erzählte ich ihr den alten Witz:
 
Der Pfarrer von St. Lorenz trifft in seiner Kirche auf eine nackte Frau. „Gute Frau“ sprach er, „das ist ein Gotteshaus. Sie können hier nicht nackt herumlaufen“. Sie deutete auf die Engel in der Kirche und sprach: „Die sind doch auch nackt“. Darauf der Pfarrer: „Aber die sind doch aus Holz“. Darauf die Frau: „Nach und, ich bin aus Stein“.
 
Das gequälte Stöhnen meiner Frau ließ mich befriedigt und glückselig einschlafen.
 
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